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Zuletzt angepasst am 14.01.2025

Welche medizinischen Möglichkeiten stehen aktuell zur Behandlung der COPD und des Emphysems zur Verfügung mit Blick in die Zukunft

Die primäre und bei weitem wichtigste aller therapeutischen Maßnahmen bei der COPD (chronisch-obstruktive Lungenerkrankung) ist die Vermeidung des krankmachenden Auslösers. In den allermeisten Fällen heißt das, nicht mehr zu rauchen.

Alle medikamentösen Ansätze wirken schlechter als die Abstinenz von der Zigarette! Schon eine chronische Bronchitis, die als chronischer Husten mit meist morgendlichem Auswurf definiert ist, gilt als erstes Zeichen, dass der inhalierte Zigarettenrauch zu einer Entzündung in den Atemwegen geführt hat, aus der sich später eine COPD entwickeln kann. Bronchialerweiternde Medikamente, die s.g. langwirksamen ß2-Mimetika (Salmeterol, Formoterol, Indacaterol), das Tiotropiumbromid und das Theophyllin bilden die Basis der medikamentösen Langzeittherapie der COPD. Für den Notfall und bei einer akuten Zunahme der Luftnot stehen s.g. kurzwirksame Medikamente zur Verfügung wie Fenoterol, Terbutalin, Salbutamol oder Ipratropiumbromid, die bei Bedarf eingenommen werden können. Alle diese bronchialerweiternden Medikamente werden primär inhaliert. Nur das Theophyllin steht als Tablette zur Verfügung. Der Vorteil der inhalativen Anwendung ist, dass die Medikamente an den Ort des Geschehens, nämlich in die Atemwege gelangen, ohne im Körper zu wesentlichen Nebenwirkungen zur führen. In fortgeschritteneren Erkrankungsstadien können diese Medikamente auch kombiniert eingesetzt werden. Wenn gehäuft Notfälle, die s.g. Exazerbationen, auftreten, kann Ihr Arzt zusätzlich zu einem bronchialerweiternden Medikament auch ein inhalierbares kortisonhaltiges Präparat verordnen. Von einer dauerhaften Gabe von Kortisontabletten wird wegen des fehlenden Wirksamkeitsnachweises und der vielen damit zusammenhängenden Nebenwirkungen, wenn man einmal von Ausnahmen absieht, abgeraten. Eine Lungenoperation mit chirurgischer Entfernung eines Lungenemphysems, einer großen Emphysemblase oder die Lungentransplantation sind nur bei ganz wenigen und sehr selektionierten Patienten sinnvoll. Ergänzt werden alle diese therapeutischen Möglichkeiten durch die Gabe von Sauerstoff, sofern eine durch die COPD und das Lungenemphysem bedingte Sauerstoffunterversorgung des Körpers vorliegt und eine vielstündige tägliche nasale O2-Gabe diesen Mangel nachweisbar ausgleichen kann. Zudem sollte eine medikamentöse Therapie idealerweise durch weitere Maßnahmen, wie z.B. Rehabilitation, Lungensport, Ernährungsoptimierung, Physio- inkl. Atemtherapie, flankiert werden.

In diesem Artikel werden die Prinzipien der medikamentösen Behandlungsoptionen zusammen mit ihren Vor- und Nachteilen erläutert.

Therapieziele

Die Therapie soll idealerweise das Fortschreiten der Krankheit und damit die Symptome verringern, die Mobilität und die Lebensqualität steigern, Komplikationen und Exazerbationen verringern bzw. vermeiden helfen. Dies ist natürlich in der Praxis nur in einem beschränkten Maße möglich und richtet sich nach dem Schweregrad der Erkrankung. Die COPD wird in 4 Schweregrade eingeteilt. Je höher der Schweregrad, desto intensiver muss therapiert werden, desto schwerer ist es aber, auch einen Therapieerfolg zu erzielen und umgekehrt.

Therapieempfehlungen in Abhängigkeit vom Erkrankungs­stadium

Die COPD wird in Abhängigkeit von dem Erkrankungsstadium, das sich wiederum über die Einschränkung in der Lungenfunktionsprüfung definiert, mit den im Folgenden näher beschriebenen Medikamenten behandelt (Abb. 1).

  • Stufe I: Patienten mit einer milden Erkrankungsform werden lediglich inhalativ mit einem bedarfsweise anzuwendenden kurzwirksamen Bronchodilatator therapiert.
  • Stufe II: Mittelschwer erkrankte COPD-Patienten werden mit einem oder mehreren Bronchodilatatoren (ß2-Mimetika, Tiotropium- oder/oder Ipratropiumbromid, Theophyllin) behandelt. In Bezug auf die Lungenfunktionsverbesserung sind ß2-Mimetika und Tiotropium-/Ipratropiumbromid wirkungsäquivalent. Die Kombination beider Medikamentengruppen führt zu einer größeren Lungenfunktionsverbesserung als mit dem jeweiligen Einzelmedikament alleine. Theophyllin ist wegen den vielen Nebenwirkungen (s.u.) Medikament der letzten Wahl.
  • Stufe III: Die Patienten sind deutlich eingeschränkt und werden ergänzend zur Dauertherapie der Stufe II mit einem inhalativen Kortisonpräparat behandelt, sofern eine erhöhte Exazerbationsrate vorliegt (s.o.). Ein solches Präparat eignet sich gut als Kombinationspartner mit einem Bronchodilatator (s.o.).
  • Stufe IV: Mit der Stufe III sind die pharmakologischen Möglichkeiten weitgehend ausgeschöpft. Es bleiben daher nur noch unterstützende Therapiemaßnahmen übrig. Bei einer Sauerstoffunterversorgung könnte evtl. eine Langzeit-Sauerstofftherapie helfen. Bei sehr schwer kranken Patienten muss die Atmung evtl. zu Hause mit einem Maskenbeatmungsgerät unterstützt werden.

Unerwünschte Medikamentenwirkungen

Alle in der Pharmakotherapie eingesetzten Medikamente haben dosisabhängig diverse unerwünschte Nebenwirkungen. Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählen: Tiotropium-/Ipratropiumbromid kann einen trockenen Mund oder bei Männern selten einen Harnverhalt verursachen. ß2-Mimetika führen bei einer Überdosierung zu einem schnellen Herzschlag, Theophyllin kann neben dem schnellen und/oder unregelmäßigem Herzschlag auch eine allgemeine Unruhe und/oder Händezittern verursachen. Inhalative Kortisonpräparate führen zu einem Pilzbefall im Mundrachenbereich und zu einer  Heiserkeit, wenn nach der Anwendung der Mund nicht ordentlich gespült oder anderweitig von den auch bei Inhalation zurückbleibenden Medikamentenresten gereinigt wurde. Als Tablette eingenommenes Kortison hat die meisten Nebenwirkungen, wie z.B. Stiernacken, Pergamenthaut, Knocherweichung (Osteoporose), Gewichtszunahme durch Wassereinlagerung und Hunger, Depression oder die Verschlimmerung oder der Ausbruch eines Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit).

Bedeutung der Inhalationstechnik

Die Inhalation ist aus o.g. Gründen die beste Anwendungsform. Allerdings ist sie auch schwieriger als z.B. die Einnahme einer Tablette, weswegen Ihnen die richtige Anwendungstechnik eingehend erläutert werden muss. Sie sollten Ihrem Arzt auch demonstrieren, dass Sie die Inhalationstherapie beherrschen zumal es so viele verschiedene Inhalationsgeräte gibt und sich dabei leicht Fehler einschleichen.

Abb. 1:       Prinzip der stufenabhängigen Langzeittherapie bei der COPD. FEV1 = Ein-Sekundenkapazität, zusammen mit dem Verhältnis zur Vitalkapazität wichtigste Werte in der Lungenfunktionsprüfung. Exazerbation = akute Verschlechterung/Notfall

Sonstige Medikamente

Nicht empfohlen sind wegen fehlendem Effektivitätsnachweis: nur beim Asthma eingesetzte Medikamente, homöopathische Therapieverfahren, Atemstimulantien, die Akupunktur und Immunmodulatoren (Bakterienextrakt). Ein trockener Husten (d.h. ohne Auswurf) kann Patienten mit COPD stark beeinträchtigen, weswegen insbesondere bei einer dadurch gestörten Nachruhe die zeitlich begrenzte (z. B. 2-3 Wochen) Therapie mit einem Hustenblocker sinnvoll sein kann. Medikamente, die den Bronchialschleim verflüssigen sollen, sind in der Langzeittherapie nicht empfohlen. Eine zeitlich begrenzte Anwendung, z. B. bei einem bronchialen Infekt, wird allerdings von Patienten als angenehm empfunden und wird daher auch in Leitlinien befürwortet.

Medikamente im Notfall

Die Exazerbation ist ein Notfall. Die akute Exazerbation kann zu einer lebensbedrohlichen Situation mit der Notwendigkeit einer Krankenhausaufnahme und sogar einer intensivmedizinischen Betreuung führen. Häufige Ursachen sind Infekte.

Die medikamentöse Behandlung basiert zunächst auf den oben schon besprochenen Substanzgruppen. Im Notfall muss die Dosis jedoch erhöht und auch hochdosiert Kortison (intravenös über die Vene oder oral) gegeben werden. Im Regelfall kann das Kortison nach 14 Tagen wieder abgesetzt oder mit absteigender Dosis ausgeschlichen werden.

Ein eitriger Auswurf weist zusammen mit erhöhten Entzündungswerten im Blut auf einen Infekt mit Bakterien hin. In einem solchen Fall ist die Therapie mit einem Antibiotikum gerechtfertigt. Eine erfolgreiche Antibiotikatherapie ist zu erkennen an:

  • der klinischen Besserung des Patienten einschließlich Verbesserung der Lungenfunktion und der Blutgasanalyse,
  • einer Normalisierung der Entzündungsparameter und
  • ggf auch an der Elimination des bakteriellen Erregers, was man im Auswurf messen kann.

ABER: Nicht jeder banale Infekt muss gleich mit Antibiotika therapiert werden, denn häufig werden Exazerbationen auch durch Viren ausgelöst, gegen die Antibiotika machtlos sind.

Ein Sauerstoffabfall macht in der Notsituation eine Sauerstoffsubstitution erforderlich, die meist über eine Nasenbrille oder eine Gesichtsmaske erfolgt. Helfen diese Maßnahmen nicht, verbleibt nur noch die Verlegung auf die Intensivstation mit Einleitung einer Beatmung, die entweder über eine Mund-/Nasenmaske oder über eine Intubation als s.g. invasive Beatmung erfolgt.

Blick in die Zukunft: neue Substanzen und Kombinations­therapien

Derzeit wird in der pharmazeutischen Industrie in zweierlei Richtungen geforscht:

  1. Kombination schon verfügbarer oder in der späten Entwicklungsphase befindlicher Substanzen vor allem durch Schaffung neuer Fixkombinationsprodukte (= 2 oder mehr Einzelsubstanzen in einem einzigen Inhalationsgerät) und
  2. durch die Entwicklung völlig neuer Substanzen oder Substanzgruppen.

Derzeit sind alle inhalativen Fixkombinationen (Salmeterol/Fluticason, Formoterol/Budesonid, Formoterol/Beclometason) auch für die COPD-Therapie zugelassen. Eine Neuentwicklung ist z.B. die Fluticason/Mometason-Fixkombination. Derzeit wird an der Kombination eines langwirksamen ß2-Mimetikums und eines langwirksamen Anticholinergikums (Tiotropumbromid oder ähnliche Präparate) einerseits und andererseits an einer inhalativen Trippeltherapie bestehend aus einem langwirksamen ß2-Mimetikum, einem modernen Kortikosteroid und einem Anticholinergikum gearbeitet. Seit 12/2009 steht Indacaterol, das erste 24 h -wirksame ß2-Mimetikum zur Verfügung, das nur 1x am Tag inhaliert zu werden braucht. Roflumilast ist ein neues als Tablette eingenommenes antientzündlich wirksames Präparat, ein s.g. Prostaglandin-E4-Inhibitor, dessen Zulassung in Deutschland Ende 2010 erwartet wird. In Bezug auf die COPD-Therapie gibt es daher diverse interessante Entwicklungen, bei denen die große Chance besteht, dass sie in Zukunft die Marktreife erlangen werden und damit die medikamentösen Möglichkeiten erweitern.

Quelle: Vortrag von Prof. Dr. Adrian Gillissen, Kassel, Klinikdirektor, Klinik für Lungen- und Bronchialmedizin, Klinikum Kassel, auf dem 4. Symposium Lunge am Samstag, den 07. Mai 2011 von 9:00-18:00 Uhr in Hattingen (NRW)

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