Bisherige Besucher: 6020348

Zuletzt angepasst am 23.04.2024

Mögliche Ursachen für COPD und Lungenemphysem. Erste Anzeichen, wie sollte der Betroffene reagieren?

Was ist eine COPD?

Gemäß nationaler Versorgungsleitlinie umfasst die COPD eine Symptomatik und funktionelle Beeinträchtigung der Lunge, die charakterisiert ist durch eine Kombination aus chronischem Husten, gesteigerter Sputumproduktion, Atemnot,  temwegsobstruktion und eingeschränktem Gasaustausch.

Es handelt sich um eine chronische Erkrankung der Lunge, die durch eine progrediente Atemwegsobstruktion auf dem Boden einer chronischen Bronchitis und/oder eines Lungenemphysems gekennzeichnet ist.

Die Diagnose wird anhand von typischer Anamnese (Husten, Atemnot, Auswurf) und charakteristischen Ergebnissen der Lungenfunktionsprüfung gestellt. Mit Hilfe der Spirometrie lässt sich die Schwere der COPD entsprechend den  GOLD-Kriterien in mild bis sehr schwer einteilen (Tabelle 1).

Tabelle 1: Schweregradeinteilung der COPD nach GOLD 2014 (www.GOLDCOPD.com)
Bei Patienten mit einem FEV1/FVC < 0,70:

 GOLD 1   leicht   FEV1 > 80% Soll 
 GOLD 2  moderat  50% ≥ FEV1 < 80% Soll
 GOLD 3  schwer  30% > FEV1 < 50% Soll
 GOLD 4  sehr schwer  FEV1 ≤ 30% Soll


Risikofaktoren und Ursachen der COPD:

In der westlichen Welt sind 80-90% der COPD-Fälle durch das Rauchen verursacht. Aktives Rauchen von Zigaretten und anderen Tabakprodukten erhöht dosisabhängig das Risiko, an einer COPD zu erkranken. Unstrittig ist, dass das Rauchen der wesentlichste Risikofaktor für die Entstehung einer COPD ist, die deshalb auch häufig Raucherlunge (= COPD) genannt wird. Bis zu 50% der älteren Raucher haben eine COPD. Dabei wird das Risiko der Entwicklung einer COPD durch die Gesamtzahl der lebenslang gerauchten Zigaretten bestimmt. Mit Hilfe der Packungsjahre als Maß für die lebenslange Dosis wird die Menge der von einem Individuum gerauchten Zigaretten abgeschätzt. Hat ein Patient im Laufe des Jahres durchschnittlich 1 Packung Zigaretten  ro Tag geraucht, spricht man von einem Packungsjahr. Hat er 20 Packungsjahre geraucht, könnte das beispielsweise bedeuten, dass 10 Jahre 2 Schachteln pro Tag oder 20 Jahre eine Packung pro Tag geraucht wurde.

Jah und Peto (NEJM 2014;370:60) haben 2014 eindrucksvoll bestätigt, dass rauchende Frauen und Männer im Vergleich zu Individuen, die nie geraucht haben, ungefähr ein Jahrzehnt an Lebenszeit verlieren. Bei Rauchern ist außerdem das Risiko für Lungenkrebs erhöht. Individuen, die etwa mit dem 50. Lebensjahr aufhören zu rauchen, weisen ein relatives Risiko von 5,9 für Tod an Lungenkrebs auf, bei vorgesetztem Rauchen steigt dieses sogar auf das
23-fache an.

Zwar ist Rauchen der größte und häufigste Risikofaktor für die Entwicklung einer COPD, doch sprechen neuere Forschungsarbeiten dafür, dass viele Menschen eine COPD entwickeln, die selbst nie aktiv geraucht haben (Salvi SS,  Lancet 2009; 374: 733–43). Bei diesen Menschen finden sich andere Risikofaktoren für die Entwicklung einer COPD, die in Tabelle 2 zusammengefasst sind. Diese Zusammenstellung wurde einer aktuellen Übersichtsarbeit von D.S. Postma entnommen (Lancet 2015; 385:899–909).

Tabelle 2: Risikofaktoren für die Entwicklung einer COPD

Wirtsfaktoren

  • Familiengeschichte mit COPD
  • Familiengeschichte mit Asthma / Atopie
  • genetische Konstitution
  • bronchiale Hyperreagibilität
  • Atopie
  • Geringe Lungenfunktion

Perinatale Faktoren

  • mütterliches Rauchen
  • Mutter hoher Luftverschmutzung ausgesetzt
  • Gehäufter Einsatz von Antibiotika
  • Schwierige Geburt
  • Frühgeburt

Exposition in der Kindheit

  • Infektionen der Atemwege
  • mütterliches Rauchen
  • Innen- und Außenluftverschmutzung
  • Adipositas / Mangelernährung
  • kindliches Asthma
  • Entwicklungsstörungen der Atemwege

Exposition als Erwachsener

  • berufliche Exposition
  • Biomassenexposition in Innenräumen
  • aktives und passives Rauchen
  • Außenluftverschmutzung
  • Innenluftverschmutzung

Ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer COPD findet sich demzufolge bei Wirtsfaktoren wie dem familiär gehäuften Vorkommen von Asthma oder COPD, bei bronchialer Überempfindlichkeit und bei einer im Kindesalter bereits reduzierten Lungenfunktion gegenüber dem Referenzkollektiv.

Neueste Forschungsdaten sprechen dafür, dass es Menschen gibt, die aufgrund von Faktoren in der Schwangerschaft, der Kindheit und der Jugend oder im frühen Erwachsenenalter bereits eine signifikant eingeschränkte  Lungenfunktion im Vergleich mit anderen Individuen dieser Lebensphase aufweisen. In diesen Fällen könnte ein ganz anderer Verlauf der Lungenfunktion, die lebenslang unterdurchschnittlich bleibt, im späteren Erwachsenenalter in eine COPD münden (Lange P, N Engl J Med. 2015;373:111)

Aktuelle Untersuchungen unterstreichen außerdem die besondere Rolle einer erhöhten Luftverschmutzung in Innen- und Außenräumen für die Manifestation einer COPD bei Erwachsenen, die nie im Leben geraucht haben. Ein gut  erforschtes Beispiel dafür ist die Exposition gegenüber Feinstaub und Rauch aus Biomasse – und zwar ganz überwiegend in der Dritten Welt. Kürzlich publizierte Studien sprechen dafür, dass sich die Nichtraucher-COPD durch  Exposition gegenüber Biomasse in einigen Punkten wesentlich von der COPD infolge des Zigarettenrauchens unterscheidet. Bei der Biomassenexposition dominieren bronchitische Symptome (Husten, Auswurf), die Atemwegsobstruktion ist im Regelfall jedoch mild und eine wesentliche Emphysembildung seltener anzutreffen als bei der Raucher-COPD (R. Perez- Padilla, HCOPF 2014;1:23-32).

Weitere Faktoren, die mit einem erhöhten Risiko für die Manifestation einer COPD bei Nierauchern in Verbindung gebracht werden, sind das Rauchen der Mutter in der Schwangerschaft sowie die Unreife des Frühgeborenen –  typischerweise mit einem Geburtsgewicht < 1000 Gramm oder einer Schwangerschaftsdauer von < 28 Wochen. Die Frühgeborenen können eine Erkrankung entwickeln, die als „Bronchopulmonale Dysplasie“ (kurz: BPD) bezeichnet  wird. Die BPD kann im zeitlichen Verlauf ausheilen oder in ein Krankheitsbild münden, dass typische Kriterien einer COPD erfüllt. Des Weiteren könnte eine Häufung von Atemwegsinfektionen im Kindesalter und eine relevante Mangelernährung die Entwicklung einer COPD im Erwachsenenalter begünstigen.

In der Fachliteratur verdichten sich zudem Hinweise, dass die Interaktion von genetischen Faktoren mit Umwelteinflüssen von ausschlaggebender Bedeutung für eine Reifungsstörung der Lunge im Mutterleib und in der frühen Kindheit  sein könnte. Daraus resultiert bei den Betroffenen ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer COPD im Erwachsenenalter – und zwar selbst bei Nierauchern. Ob und wie diese Risikofaktoren zu den verschiedenen Phänotypen der  COPD führen, muss in künftigen Studien geklärt werden.

Dass die individuellen Gene eine wichtige Rolle für das Risiko der Erkrankung an einer COPD spielen, zeigt sich exemplarisch bei Individuen mit angeborenem Alpha-1-Antitrypsin-Mangel. Bei Menschen mit dieser vergleichsweise  häufigen Erbkrankheit kommt es regelhaft zu einer schweren COPD mit Lungenemphysem – wenn sie rauchen.

Erste Anzeichen von COPD und wie reagieren?

Die Früherkennung spielt bei der COPD eine zentrale Rolle. In den Empfehlungen der Schweizerischen Gesellschaft für Pneumologie weisen W. Karren und JD Leuppi (www.pneumo.ch/fachpersonen/ copd) auf die Tatsache hin, dass  den Hausärzten mit Blick auf die Frühdiagnose der COPD und die Festlegung eines wirksamen Therapiekonzeptes eine zentrale Rolle im Gesundheitswesen zukommt. Je früher die Diagnose gestellt wird, desto effektiver ist im Anschluss die Behandlungsstrategie. Individuen, die folgende Kriterien erfüllen, sollten primär vom Hausarzt mit Hilfe der Spirometrie bezüglich des Vorliegens einer COPD abgeklärt werden:

  1. Alter über 45 Jahre mit Risikofaktoren in der Anamnese (Rauchen [Tabakkonsum in Packungsjahren] und Passivrauchen, positive Familienanamnese sowie inhalative Noxen im Beruf)h
  2. Häufige Erkältungen mit und ohne Auswurf, die ungewöhnlich lange dauern
  3. AHA-Symptome (Atemnot bei Anstrengung mit Husten und Auswurf)

Bei der Frage nach Atemnot unter Belastung besteht die Gefahr, dass die Patienten mit COPD keine Probleme bei Belastung angeben, obwohl sie unter Anstrengungsdyspnoe leiden. Sie vermeiden im Alltag alle Anstrengungen, die sie „aus der Puste“ bringen. In der Hausarztpraxis – aber auch vom Patienten selbst - lässt sich eine Anstrengungsdyspnoe ganz einfach mit dem „Sit-to- Stand-Test“ (STS) (Tabelle 3) erfassen. Für diesen Test benötigt man lediglich einen Stuhl ohne Armlehnen, dafür mit festem Stand. Die Versuchsperson bekommt nun die Aufgabe, innerhalb von 60 Sekunden so häufig wie möglich aus dem Sitzen aufzustehen und sich wieder zu setzten. Dabei werden die Arme vor der Brust gekreuzt und dürfen nicht unterstützend eingesetzt werden. Der Sit-to-Stand Test bietet sich auch und gerade bei Herz-Lungenerkrankungen als Alternative zum 6-Minuten-Gehtest an, da er platzsparender durchgeführt werden kann.

Tabelle 3: Referenzwerte für die Anzahl der Wiederholungen im Sit-to-Stand-Test (STS) bei gesunden Personen (www.pneumo.ch/fachpersonen/ copd).

 Sit-to-Stand-Test (STS):
 Anzahl Wiederholung innerhalb einer Minute bei Gesunden der jeweiligen Altersklasse:
 Anzahl  Frauen  Männer
 50 - 54 Jahre  36  40
 55 - 59 Jahre  34  38
 60 - 64 Jahre  29  33
 65 - 69 Jahre  27  31
 70 - 74 Jahre  26  29
 75 - 79 Jahre  25  28
 80 - 84 Jahre  23  25
 85 - 89 Jahre  21  23
 90 - 94 Jahre  16  20
 Rikli and Jones, California State University, Fullerton CA, ISBN 978-0-7360-3356-5

Zwar kann anhand der tabellarisch zusammengefassten Referenzwerte für Männer und Frauen eine verminderte körperliche Belastbarkeit zuverlässig aufgedeckt werden, doch kommen ursächlich auch andere Erkrankungen infrage.

Um eine COPD als Ursache wahrscheinlich zu machen, wird außerdem eine Spirometrie durchgeführt. Die Spirometrie führt im Regelfall der Hausarzt durch. Ist die Spirometrie pathologisch oder die Atemnot weiterhin unklar, erfolgt  die Überweisung vom Hausarzt zum Spezialisten – im Regelfall zu einem Lungenfacharzt. Ist die Diagnose „COPD“ gestellt, wird die bestmögliche Therapie festgelegt, die immer auf die individuelle Situation und Bedürfnisse sowie die sonstigen Erkrankungen (Komorbiditäten) des Patienten abgestimmt sein muss.

Bei gesicherter COPD umfassen die Behandlungsstrategien für nikotinabhängige Patienten einen konsequenten Rauchstopp und generell das Meiden vorhandener Risikofaktoren, die Verordnung von Lungensport, Rehabilitation und  Patientenschulung sowie die Verschreibung spezifischer Pharmakotherapien und Impfungen, ferner - bei schwerer bis sehr schwerer COPD – erweiterte Therapiekonzepte (unter anderem Sauerstoff, nicht invasive Beatmung,  Volumenreduktion, Transplantation) in Abstimmung mit ausgewiesenen COPD-Zentren.

Quelle: Vortrag von Prof. Dr. Helmut Teschler Ärztlicher Direktor Westdeutsches Lungenzentrum Ruhrlandklinik Universitätsklinikum Essen, auf dem 9. Symposium Lunge am Samstag, den 10. September 2016 von 9:00-17:00 Uhr in Hattingen (NRW)

© Patientenorganisation Lungenemphysem-COPD Deutschland
Der Abdruck bzw. die Weiterverwertung dieses Artikels oder Teilen daraus in Print/Onlinemedien bedürfen der vorherigen schriftlichen Genehmigung der Patientenorganisation Lungenemphysem-COPD Deutschland und sind nur mit der oben genannten Quellangabe gestattet.