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Zuletzt angepasst am 04.12.2024

Atemwegserkrankungen - Therapeutische Maßnahmen durch Inhalation

Unsere Lunge ist neben der Haut und dem Verdauungstrakt mit Mund, Speiseröhre, Magen und Darm ein Organsystem mit freier Verbindung nach außen. Zeit unseres Lebens tragen wir mit der Atemluft auch möglicherweise krank machende Stoffe, Partikel oder Kleinstlebewesen wie Viren, Bakterien und Pilze in uns hinein.

Diese können dem Organsystem schaden, es infizieren oder über diese Eintrittspforte den übrigen Organismus krank machen. Auf dem gleichen Wege ist es nun andererseits möglich, Medikamente zur Behandlung in den Organismus hinein zu bringen. In erster Linie geht es dabei um die Behandlung der Atemwege und der Lunge selber. In einzelnen Fällen ist aber über eine Inhalation, wie man das Einatmen von Stoffen nennt, auch der übrige Organismus zu behandeln. Ein Wirkstoff wird in die Lunge eingeatmet und dann über das Blut verteilt. Typische Beispiele hierfür sind die Narkosegase, die erst unsere moderne Chirurgie möglich machen, und – hier muss ein Lungenarzt um Entschuldigung bitten, aber das Beispiel kennt jeder (Ex-)Raucher – das Nikotin aus dem Zigarettenrauch. Beide, Narkosegas und Nikotin, erreichen nach Einatmung in die Lunge in Sekunden das Gehirn und können ihre Wirkung entfalten. Ein Zug an der Zigarette und die schreckliche Schmacht ist verschwunden, das vielen aus der früheren Zigarettenwerbung noch bekannte HB-Männchen kommt von der Decke zurück auf den Boden. Die Gabe von Medikamenten über die Lunge hat den Vorteil, dass keine Aufnahmeüber den Darm erfolgen muss, die Substanz vor Ort – wir nennen das"lokal" – und damit oft intensiver wirkt und den übrigen Organismus nicht belastet. Bei einer umschriebenen Hautkrankheit ist ja ebenfalls die lokale Behandlung mit Wirkstoffen gebräuchlich, und das geht auch bei der Lunge. So einfach, wie sich das anhört, ist es aber nicht. Es hat sich im Gegenteil ein eigener Zweig der Medizin herausgebildet, der sich dem Problem wissenschaftlich annähert und das Ziel hat, optimale Behandlungsmaßnahmen zu entwickeln. Man nennt sie Aerosolmedizin. Hier werden bekannte Therapien überprüft und neue Methoden getestet. Die folgenden Ausführungen stellen eine Übersicht über das Thema dar und helfen, sich zurechtzufinden.

Das Einatmen von Wirkstoffen

Die Behandlung über Wirkstoffe in der Einatemluft ist alt. Zerstäubtes Salzwasser an der See oder den Gradierwerken (Salinen) vieler Kurorte, das Inhalieren von ätherischen Ölen oder nur Wasserdampf über einer warmen Schüssel im Rahmen von Erkältungen bis hin zu schmerzstillenden Stoffen aus dem Hanf, der geraucht wird – alles sind Inhalationstherapien. Für viele Medikamente ist noch nicht abschließend geklärt, in welchem Teil des Atemtraktes sie von größtem Nutzen sind. Die hauptsächlich mit Inhalation behandelten Erkrankungen spielen sich im Bereich des oberen Atemtraktes, also Nase und Kehlkopf ab oder im Bronchialbaum. Aber auch gleiche Erkrankungen spielen sich von Patient zu Patient sehr variabel ab. In vielen Fällen versucht man, sowohl die zentralen als auch die peripheren immer kleiner werdenden Atemwege zu erreichen. Folgende Faktoren beeinflussen die erreichte Region und die Menge der eingebrachten Substanz: die Teilchengröße, also der Durchmesser, spielt eine wichtige Rolle: je kleiner, desto weiter kommen die Tröpfchen. Die freigesetzte Menge an Wirkstoff und natürlich auch die Größe des Bronchialbaums beeinflussen ebenfalls den Effekt der Therapie. Hier finden sich Unterschiede zwischen Kindern und Erwachsenen, und natürlich gibt es auch Verengungen der Atemwege durch die behandelte Erkrankung, zum Beispiel das Asthma. Für eine wirksame Ablagerung des Wirkstoffes – wir nennen es Deposition – wird eine Teilchengröße von 1–5 μm gefordert, ein "μm" ist der tausendste Teil eines Millimeters. Auch beeinflussen die Atemtiefe, also das Einatemvolumen und die Einatemgeschwindigkeit, der sogenannte Atemfluss, den Ort und das Ausmaß der Deposition. Die am häufigsten gebrauchten Inhalationssysteme sind Dosieraerosole und Pulverinhalatoren. Hier soll aber eine andere Inhalationstherapie erläutert werden, bei der über elektrisch betriebene Geräte die Wirkstofffreisetzung erfolgt. Die Medikamente bei dieser Therapie sind zahlreich: Bronchien weitende Medikamente aus der Gruppe der Betasympathikomimetika, Basistherapie fast aller Atemwegserkrankungen, und Vagolytika. Zur Sekretlösung bei zähem Sekret gibt es mehrere Stoffe. Sehr viel seltener werden lokales Cortison als Entzündungshemmer und Antibiotika angewandt.

Geräte zur Inhalation

Es sind unterschiedliche Techniken in Gebrauch, die alle ein sogenanntes Aerosol erzeugen. Am häufigsten sind sicher Düsenvernebler. Es gibt aber auch Membranvernebler und solche, die mit Ultraschall arbeiten. Einige arbeiten sogar mit Überdruck. Betrieben werden sie mit elektrischem Strom aus der Steckdose. Es gibt auch Akku-betriebene Geräte, die mitgeführt werden können. Neben diesen Unterschieden in der Technik unterscheiden sich die Geräte
auch in der Leistung, also der Menge an Flüssigkeit, die in ein Aerosol umgewandelt wird, in der Temperatur des Aerosols – kalt oder angewärmt. Der Verneblerkopf als Geräteteil bestimmt bei verschiedenen Geräten die Teilchengröße. Inhaliert werden kann über ein Mundstück. Das Aerosol gelangt in die Atemwege, über Nasenoliven werden überwiegend die Nase und der Rachen erreicht und über eine Mund-Nasen-Maske können beide Anteile des Atemtraktes behandelt werden. Solche Masken sind oft bei Kindern in Gebrauch. Das Medikament kann z. B. als Einzeldosis in das Gerät eingebracht werden. Einige Vernebler verfügen auch über ein größeres Reservoir, das mehrere Inhalationen ohne Nachfüllen ermöglicht. Die jeweilige Dosis wird dann entweder über die voreingestellte Zeit eingeatmet, oder die Inhalation wird nach einer bestimmten Menge beendet. Der Umgang mit Geräten verlangt sorgfältige Sauberkeit und Hygiene: die Hände sollten gewaschen werden, empfindliche Menschen sollten sie sogar desinfizieren. Schlauchsysteme müssen gereinigt und getrocknet werden. In Verneblerköpfen sollten keine Flüssigkeitsreste verbleiben, da sie mit Bakterien verunreinigt werden können. Bei allen Medikamenten kommt es auf das Erlernen einer guten Inhalationstechnik an. Langsame tiefe Atemzüge führen dazu, dass der Wirkstoff die tiefen Atemwege erreicht. Hierbei ist zu vermeiden, dass mehr Luftmenge geatmet wird, als der Organismus in Ruhe braucht. Anderenfalls kann es zu Schwindel und anderen Kreislaufbeschwerden kommen. In jedes Gerät muss der Patient durch eine fachkundige Person wie den betreuenden Arzt eingewiesen werden.

Medikamente

Bronchienweiter

Zur Inhalation über Geräte sind nur die kurzwirksamen Betasympathomimetika und ein Vagolytikum in Gebrauch. Beide führen zu einer Entkrampfung der Bronchienmuskulatur, damit zur Weitung der Atemwege. Betamimetika wirken rasch, schon nach wenigen Minuten, ein Vagolytikum erst nach längerer Zeit. Damit ist letzteres nicht zur Anfallsbehandlung zu empfehlen. Die Betamimetika haben darüber hinaus noch einen weiteren Wirkmechanismus: Sie beschleunigen die Schlagfrequenz der Flimmerhärchen auf der Bronchienoberfläche und führen damit zu einem rascheren Sekrettransport nach außen. Nach kurzer Zeit muss der Patient abhusten, was sehr erleichternd sein kann. Bei Wiederaufnahme der Inhalation kann dann der Wirkstoff an saubere Bronchienwände gelangen und seine Wirkung entfalten. Diese Form der Gabe von Bronchienweitern ist also sehr wirksam bei stark verschleimten Patienten. Da die Wirkdauer der Medikamente recht kurz ist, muss für einen Rundumschutz mindestens dreimal, besser viermal am Tage in möglichst gleichen Zeitabständen inhaliert werden.

Schleimlöser

Sekretlösende Substanzen sind in der Anwendung seltener, da Sekret nicht in allen Fällen der Atemwegserkrankung eine Rolle spielt. Der Asthmapatient klagt zwar manchmal über sehr zähes glasiges Sekret. Dieses wird jedoch durch eine im Vordergrund der Therapie stehende Entzündungshemmung mit Cortison in inhalierbarer Form oder als Tablette rasch in den Hintergrund gedrängt und muss nicht gesondert behandelt werden. Anders sieht das bei einem Teil der COPD-Patienten aus, und ganz im Vordergrund steht das Sekret bei Bronchiektasen, also der Erweiterung einzelner Bronchien oder bei der Muskoviszidose, der häufigsten genetisch bedingten Lungenerkrankung. Hier gibt es für die Sekretlösung einfach mineralische Stoffe wie Kochsalz in niedriger und höherer Konzentration oder ein Mineraliengemisch wie die Emser Sole. Daneben kann man chemische Schleimlöser und für Mukoviszidose-Patienten auch ein spezielles teures Enzympräparat verordnen, das den zähen Schleim auflöst und abhustbar macht.

Cortison

Es gibt einige über Inhalierapparate einzunehmende Cortisonzubereitungen. Sie sind alle recht hoch dosiert, teuer und deshalb nur für schwere Entzündungszustände der Atemwege und bei Gegenanzeigen zum Cortison in Tablettenform sinnvoll. Mit der hohen Dosis steigt die Zahl von Nebenwirkungen im Mund-Rachen-Raum an. Besonders sorgfältige Mundpflege ist hier unerlässlich.

Antibiotika

Auch diese Form der Inhalationstherapie wird relativ selten angewandt und muss sehr gut überlegt werden. Es gibt nur wenige lokal anwendbare Antibiotikagruppen. Die Konzentration des Antibiotikums ist in dem vom Medikamentenaerosol erreichten Bereich hoch, nicht belüftete Areale werden nicht erreicht. Damit eignet sich diese Therapie nicht für eine Lungenentzündung, aber für die eitrige Bronchitis insbesondere mit Problemkeimen wie bei Mukoviszidose und anderen Bronchiektasenformen. Sinnvoll ist eine solche Therapie nur dann, wenn ansonsten mehrmals im Jahr etwa eine Antibiotikatherapie erforderlich ist. Allerdings muss vor Verordnung einer solchen Therapie am besten in einer Klinik mit entsprechender Erfahrung überprüft werden, ob das Medikament vertragen wird. Durch die Verringerung der Keimzahl in den Atemwegen kann – vor allem beim Problemkeim mit Namen Pseudomonas aeruginosa – die Prognose der Erkrankung verbessert werden.

Spezielle Lösungen

In vielen Kliniken gibt es spezielle Lösungsgemische, die meistens in verschiedenen Konzentratíonen Wirkstoffe aus den verschiedenen Gruppen kombinieren. Ziel ist es, dem Patienten in einer Inhalation alle für die Atemwegserkrankung notwendigen Medikamente zeitgleich zuzuführen. Dies führt zu einem verringerten Zeitaufwand und der daraus erwachsenden Hoffnung, dass der Patient ausreichend oft zu seinem Inhaliergerät greift. Das Gemisch wird in einer Apotheke auf Rezept hergestellt, ist dann oft nicht so lange haltbar, wie ein aus einer Arzneimittelfirma gelieferten Präparat in Einzelabpackung. In diesem Fall ist besonders auf sorgfältige Handund Gerätereinigung zu achten, damit keine Keime in die Lösung gelangen, ebenso auf das Ablaufdatum. Inhaliert wird auch ein Präparat zur Behandlung des Lungenhochdrucks, hier braucht man geeignete Vernebler und es werden in Studien auch bestimmte Eiweiße inhaliert, um Lungenerkrankungen zu behandeln.

Zusammenfassung

Die Inhalationstherapie ist ein erprobtes Verfahren für die Behandlung der Atemwege. Die Auswahl des Gerätes und des Inhalationskopfes ist abhängig von der Erkrankung sowie den zur Anwendung vorgesehenen Medikamenten. Ein Patient muss sorgfältig in die Inhalationstechnik, den Umgang mit Gerät
und Inhalationslösung sowie die hygienischen Maßnahmen eingewiesen werden. Über die reine Anwendung der verordneten Substanz hinaus bedeutet die regelmäßige Inhalation eine Anfeuchtung der Atemwege, Atemgymnastik sowie Anregung zum effektiven Husten. Insbesondere bei schweren Fällen von Atemwegserkrankungen hat sich dieses Therapieprinzip bewährt.

Quelle: Prof. Dr. med. Helmut Teschler
Ärztlicher Direktor
Zentrum für Pneumologie und
Thoraxchirurgie Abt. Pneumologie-Universitätsklinik
Dr. med. Heinz Steveling
Leitender Oberarzt Alpha-1-Center

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