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Zuletzt angepasst am 26.03.2024

Aktuelle und in der Entwicklung befindliche Medikamente zur Behandlung der COPD

Bronchialerweiternde Medikamente

Im Gegensatz zum Asthma bilden die bronchial erweiternden Medikamente das wesentliche Standbein in der COPD-Therapie. Diese werden in zwei große Medikamentengruppen eingeteilt:

  • Rasch- und langwirksame ß2-Agonisten (Angaben der Substanznamen, nicht der Präparatenamen, da diese bei den u.g. Neuentwicklungen zum Zeitpunkt der Manuskripterstellung zum Teil auch noch nicht feststanden): Zu den ersteren gehören z.B. Salbutamol, Terbutalin, Fenoterol, die innerhalb der ersten Minute für ca. 4 Stunden wirken, zu den letzten zählen Formoterol, Salmeterol und das Indacaterol. Letzteres ist für die Patienten aber teuer, da die Krankenkassen nur einen kleinen Teil der Medikamentenkosten für Indacaterol übernehmen. Formoterol und Salmeterol haben eine 12-stündige Wirkungsdauer und müssen 2x/Tag, das Indacaterol braucht mit einer Wirkungsdauer von 24 h nur 1x täglich inhalativ appliziert werden. Theophyllin bleibt wegen der geringen bronchodilatativen Wirkung und der vielen Nebenwirkungen unverändert Medikament der letzten Wahl. Es steht als sofort wirksame Form für den Notfall (z.B. Tropfen) und in langwirksamer Form (Tablette) zur Verfügung
  • Schnell- und langwirksame Anticholinergika: Zu den ersteren gehört nur Ipratropiumbromid, das innerhalb von einer Minute wirkt. Zu den letzteren gehören das 24 h wirksame Tiotropiumbromid und seit Ende 2012 auch Glycopyrronium sowie das 12 h wirksame Aclidiniumbromid. Die beiden letzten Medikamente sind erst in der zweiten Jahreshälfte 2012 für die inhalative COPD-Therapie zugelassen worden. Anticholinergika erweitern ebenfalls die Bronchien, wie ß2-Agonisten (oder synonym: ß2-Mimetika), reduzieren die Rate an akuten Notfällen (Exazerbationen) und verbessern die Lebensqualität. In der COPD-Therapie gibt es keine intravenöse oder orale sondern nur die inhalative Applikationsform. Wegen in medizinischen Fachkreisen geäußerter Sicherheitsbedenken bzgl. des Tiotropiums sind die 2013 zu erwartenden Daten einer ca. 17 000 Patienten umfassenden 2-Jahresstudie von großer Bedeutung, in der die Sicherheitsaspekte von Tiotropium (Handyhaler vs. Respimat) untersucht werden (www.clinicaltrials.gov)

Kortison

Die inhalative Kortisontherapie (oder synonym: inhalative Kortikosteroide = ICS) sind nur bei Patienten zur Verhinderung gehäufter Notfallsituationen, d.h. bei einer insgesamt instabilen Krankheitslage indiziert, dazu zählen z.B. Beclomethason, Fluticason, Budesonid. Sie müssen mit mindestens einem der o.g. langwirksamen Bronchodilatator kombiniert werden. Zwecks Erleichterung der Anwendung und zur Vermeidung eines zusätzlichen Inhalers stehen Kombinationspräparate zur Verfügung, wie z.B. Budesonid/Formoterol, Fluticason/Salmeterol. Es gibt keine Empfehlung zur Langzeittherapie mit Kortison als Tablettenform, denn es hat sich gezeigt, dass dessen chronische Einnahme nicht nur mit vielen kortisontypischen Nebenwirkungen, wie Vollmondgesicht, Knochenerweichung (Osteoporose), Pergamenthaut, Diabetes mellitus (Zuckererkrankung) u.a. verbunden ist, sondern auch mit einer Erhöhung des Risikos vermehrter und schwererer Exazerbationen und sogar frühzeitiger zu versterben einher geht. 14 Tage und länger nach einer durchgemachten Exazerbation haben Kortisontabletten, die zusätzlich zu inhalativen bronchodilatativen Medikamenten gegeben werden, den gleichen Effekt auf die Lungenfunktion wie ein Placebopräparat, das gar keinen Wirkstoff enthält!

Roflumilast, eine neueres Medikament zur Entzündungshemmung

Seit ca. 2 Jahren steht zur antientzündlichen Therapie der Phosphodiesterase-4-Inhibitor (PDE-4-Hemmer) Roflumilast zur Verfügung. Voraussetzungen für eine solche Therapie sind: eine schwergradige COPD, eine begleitende chronische Bronchitis, d.h. bestehender chronischer Husten mit Auswurf, sowie häufiger akute Verschlechterungen (Exazerbationen). Roflumilast kann nur begleitend zu einer bronchialerweiternden Therapie verschrieben werden. Das Präparat ist kein Notfall- sondern ein Dauertherapiemedikament, denn es entfaltet seine Wirkung erst nach einigen Wochen. In klinischen Studien wurden bei etwa 16 % der Patienten Nebenwirkungen beobachtet. Am häufigsten traten Durchfälle, Bauchschmerzen sowie Kopfschmerzen und Gewichtsverlust auf. Im praktischen Alltag können diese Nebenwirkungen höher liegen. Als Patient muss man diese Nebenwirkungen kennen, denn sie können dazu führen, dass die Roflumilastbehandlung niedriger dosiert oder die Tabletten zu einer anderen Tageszeit gegeben werden müssen. Unter Umständen muss die Behandlung bei zu starken Nebenwirkungen auch ganz abgebrochen werden.

Blick in die unmittelbare Zukunft der pharmakologischen COPD-Therapie

Die Entwicklung für neue Pharmaka hat im Augenblick folgende Schwerpunkte:

  • Entwicklung neuer langwirksamer inhalativer Anticholinergika: Damit bekommt Tiotropiumbromid Konkurrenz. 2012 wurden das Glycopyrroniumbromid, das einmal am Tag und das Aclidiniumbromid, das 2x am Tag angewendet werden muss auf dem europäischen Markt und damit auch in Deutschland für die COPD-Therapie zugelassen. Die Präparate Glycopyrrolat, Umeclidinium und Trospium befinden derzeit in der klinischen Prüfung, könnten aber 2013 / 2014 auf den Markt kommen. Damit erweitern sich die Therapieoptionen in dieser Medikamentengruppe erheblich
  • Entwicklung neuer langwirksamer ß2-Mimetika: Indacaterol war das erste 24 h –wirksame Präparat aus dieser Gruppe. Leider wurde es aber von dem Gemeinsamen Bundesausschuss preislich in die billigste Gruppe der 12 h –wirksamen Präparate eingestuft, so dass die Krankenkassen nur einen kleinen Teil der tatsächlichen Kosten übernehmen und der Rest vom Patienten zu zahlen ist. Das Präparat ist damit für die Patienten zu teuer. Weitere Neuentwicklungen sind das Vilanterol und das Olodaterol. Beide haben ebenfalls eine 24 –stündige Wirksamkeit, wobei das letztere weiter in der klinischen Entwicklung steht und 2013/2014 auf den Markt kommen könnte. Die Wirksamkeit dieser Präparate steht außer Frage. Unklar ist dagegen und das ist für die tatsächliche Nutzung für die Betroffenen entscheidend, ob die Krankenkassen die Bezahlung dieser Neuentwicklungen auch entsprechend würdigen oder ob – was allerdings durchaus wahrscheinlich ist – diesen Neuentwicklungen das gleiche Schicksal wie dem Indacaterol droht
  • Fixkombinationen bestehend aus einem oder zwei Substanzen in einem Inhaler: Insbesondere bei der fortgeschrittenen COPD spielt die Kombinationstherapie eine große Rolle. Dabei sind folgende Kombinationen sinnvoll: a) zwei verschiedene bronchialerweiternde Medikamente (ß2-Mimetikum/Anticholinergikum) oder b) ein inhalatives Kortisonpräparat mit einem bronchialerweiternden Medikament (ß2-Mimetikum oder Anticholinergikum). Zwecks Erleichterung der inhalativen Therapie und Reduktion der ohnehin vielen Inhalationspräparate und der unterschiedlichen Inhalationsgerätetypen eignen sich für diesen kombinierten Therapieansatz die s.g. Fixkombinationen. Darin werden die beiden Medikamente in einem Inhaler gemeinsam inhaliert. Neuentwicklungen für a) sind: Inda¬caterol/Glycopyrroniumbromid, Olodaterol/Tiotropiumbromid, Formoterol/Glyco¬pyrrolat, Formoterol/Aclidinium und Vilanterol/Umeclidinium. Bis auf die Formoterol-haltigen Kombinationen, die zweimal am Tag angewendet werden müssen, sind die restlichen nur einmal täglich zu inhalieren. Neuentwicklungen für b) sind: Vilanterol/Fluticason, Indacaterol/Mometason und Formoterol/Beclomethason. Nur letztere Kombination muss zweimal täglich angewendet werden. Wann welche dieser Kombinationspräparate die Marktzulassung in Deutschland erhalten ist zum Zeitpunkt der Manuskripterstellung im Einzelfall nicht klar, aber es ist sicher zu erwarten, dass die ersten 2013 verfügbar sein werden. Manche Hersteller testen derzeit auch s.g. Triple-Fixkombination bestehend aus einem ß2-Mimetikum einem Anticholinergi¬kum und einem ICS. Eine solche Therapie würde sich für die schwer kranken COPD-Patienten eignen. Studien hierfür sind aber langwierig und aufwendig, so dass der Zeitpunkt der Markteinführung gegenwärtig nicht abgeschätzt werden kann.

Blick in die weitere Zukunft der pharmakologischen COPD-Therapie

Die Neuentwicklung von Pharmaka zur COPD-Therapie, wenn man die Kombinationen einmal außer Acht lässt, steht auf zwei Säulen, erstens der Entwicklung von antientzündlichen und zweitens von bronchialerweiternden Substanzen. Dabei werden Anleihen aus der Grundlagenwissenschaft genommen. Natürlich handelt es sich hierbei um einen sehr weiten Blick in die Zukunft und es ist zurzeit völlig offen, ob solche Therapieansätze je praktisch einsetzbar sein werden.

Beispiele zukünftiger antientzündlich wirkender Medikamente

Es sind viele Mechanismen bekannt, auf deren Grundlage die bronchiale Entzündung bei der COPD beruht, welche Enzyme eine Rolle spielen, welche Zellen aktiviert sind und welche Entzündungsmediatoren diese frei setzen. Somit liegt der Gedanke nahe, diese Entzündungswege zielgerichtet zu blockieren. Ein guter Kandidat ist die p38 MAP Kinase (Mitogen activated protein kinase). Kinasen regulieren Entzündungsabläufe und deren Hemmung könnte die nachgeschaltete Entzündung reduzieren. Eine andere Möglichkeit besteht in der Hemmung potenter Zytokine, einer weiteren Gruppe von Entzündungsmediatoren. Ein wichtiger Kandidat stellt das TNF (tumor necrosis factor) dar, wobei in der Rheumatologie mit TNF -Hemmern schon positive Erfahrungen gesammelt wurden. Oder man könnte die genetische Umschreibung einer pro-entzündlichen Antwort über die Hemmung von sogenannten Transkriptionsfaktoren negativ beeinflussen. Etwas mehr an der möglichen praktischen Umsetzung steht die Entwicklung von den Phosphodiesteraseinhibitoren (PDE4-Hemmern), von denen seit ca. 2 Jahren das Roflumilast für die COPD-Therapie zugelassen wurde. Neuentwicklungen zielen darauf ab die Nebenwirkungen eventuell auch mittels einer inhalativen Anwendungsform zur reduzieren und die Wirksamkeit von Substanzen aus dieser Substanzklasse zu steigern.

Beispiele zukünftiger bronchialerweiternder Medikamente

Zunächst ist die Entwicklung neuer bronchialerweiternder Medikamente auf die Optimierung schon bekannter ß2-Mimetika und Anticholinergika fokussiert. Zudem wird versucht auf chemischen Weg Hybridmoleküle herzustellen, die sowohl den ß2-Rezeptor aktivieren als auch anticholinergisch wirken. Wie auch bei der Entwicklung neuer antientzündlich wirkender Moleküle wird bei den bronchialerweiternden Medikamenten auf die Erkenntnisse der Grundlagenforschung zurückgegriffen. Mögliche Angriffspunkte wären der EP4-Rezeptor, über den das Prostaglandin E2 seine bronchialerweiternde Wirkung entfaltet. Eine andere diesbezüglich interessante Wirkungsstelle für Medikamente sind die s.g. „bitter taste“-Rezeptoren (TAS2Rs) der Zunge, die sich aber auch im Bronchialepithel nachweisen lassen. Deren Aktivierung führt ebenfalls zu einer Erweiterung der Bronchien. Alle diese jetzt vielleicht exotisch klingenden Entwicklungen wurden schon mit Substanzen tierexperimentell evaluiert. Aus Erfahrung wissen Wissenschaftler und die pharmazeutische Industrie, dass leider die meisten Neuentwicklungen, so logisch und erfolgsversprechend deren zugrunde liegenden Mechanismen und Hypothesen auch sind, nicht die Marktreife erreichen. Trotzdem bleibt es spannend und wir werden in der Zukunft immer wieder neue Präparate bekommen, die helfen die COPD noch besser zu therapieren.

Quelle: Vortrag von Prof. Adrian Gillissen, Klinikdirektor Klinik für Lungen- und Bronchialmedizin Klinikum Kassel, Symposium Lunge in Hattingen

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