Mögliche Fehlerquellen bei der Anwendung und Optimierungsansätze
Kenntnisse über die Grundlagen der Teilchenabscheidung in den Atemwegen (Aerosoldeposition) sind für das Verständnis einer korrekten Inhalationstechnik eine entscheidende Voraussetzung.
Grundsätzlich haben die an der Atmung beteiligten Strukturen die Aufgabe, das Eindringen und die Abscheidung (Deposition) von kleinen Teilchen (Partikeln) mit potentiell schädigender Wirkung in den Atemwegen und der Lunge zu verhindern. Dazu dient der Filter der Nase, aber auch die Anatomie des Rachens mit seiner starken Krümmung, die die Passage von Partikeln behindert. Hinzu kommt bei Erreichen der Atemwege die Reinigungsfunktion der Rolltreppe der Flimmerhärchen, der Husten und die Klärung der Lungenbläschen durch Fresszellen (Makrophagen). Dies bedeutet, dass für eine erfolgreiche Deposition von Partikeln in den Atemwegen diese Abwehrstationen überwunden werden müssen.
Einflussfaktoren der Inhalation
Eine erfolgreiche und damit wirkungsvolle Inhalationstherapie ist von zahlreichen Einflussfaktoren abhängig. Bevor der Wirkstoff das Bronchialsystem erreicht, muss der Mund-Rachenraum passiert werden. Durch die starke Richtungsänderung des Luftstroms bleiben aufgrund der Schwerkraft bis zu 80% des Wirkstoffes im Rachen liegen. Dies führt gerade bei der Inhalation von Kortison zu Nebenwirkungen im Rachen und Kehlkopf. Ein Pilzbefall und Heiserkeit können auftreten.
Um möglichst viel Medikament in die Bronchien einzuatmen, spielen die Größe und Verteilung der Medikamententröpfchen, das Atemmuster und die jeweiligen anatomischen Gegebenheiten des Rachenraumes eine wichtige Rolle.
Inhalationssysteme liefern eine Mischung unterschiedlicher Tröpfchengrössen zwischen 1 und 5 µm. Je kleiner die Tröpfchen sind, umso leichter passieren diese den Mund-Rachenraum und können tiefer in die Lunge eindringen. Sind die Tröpfchen kleiner als 1 µm, werden diese zum großen Teil wieder ausgeatmet und tragen nicht zur Therapie bei. Große Tröpfchen (über 10 µm) bleiben im Rachen hängen und erreicht nicht die Bronchien.
Mindestens genauso wichtig ist das Atemmanöver. Je länger die Einatemzeit und je höher das Einatemvolumen ist, desto länger können die Medikamententröpfchen durch die Schwerkraft mit der Bronchialschleimhaut in Kontakt treten und sich niederschlagen. Dadurch wird dann die entsprechende Wirkung gewährleistet. Diese physikalischen Voraussetzungen sind der Grund, warum vor einer Inhalation tief ausgeatmet werden sollte. Dadurch wird das nachfolgende Einatemvolumen deutlich erhöht. Gerade bei Dosieraerosolen (DA) ist weiterhin das langsame Einatmen von großer Bedeutung.
Bei Nebenwirkungen oder einer ausbleibenden Wirkung der Therapie ist daran zu denken, dass anatomische Besonderheiten im Mund-Rachenbereich das Eindringen der Medikamententröpfchen ins Bronchialsystem behindern. Eine Rücksprache und Untersuchung beim behandelnden Arzt ist notwendig.
Eine wirksame Inhalation benötigt daher das Zusammenspiel unterschiedlicher physikalischer Prinzipien. Diese können nicht auf einen einzigen Faktor reduziert werden. Ziel ist immer die Wirksamkeit mit möglichst niedriger Dosis bei geringster Nebenwirkungsrate.
Korrektes Inhalationsmanöver:
Die Inhalationstechnik von DA (Sprühkanistern) und Pulverinhalatoren ist grundsätzlich unterschiedlich. Bei der Auswahl ist zu prüfen, ob ein Patient den Beginn der Einatmung und den Zeitpunkt der Auslösung des Sprühstosses koordinieren kann (bedeutsam für Dosieraerosole) und ob der Patient genügend Kraft besitzt, eine rasche und kräftige Einatmung durchzuführen. Dies ist bei Pulverinhalatoren erforderlich, um die Pulverpartikel ausreichend zu zerkleinern, damit diese die Lunge erreichen können.
Bei betagten Patienten mit schwerer Atemwegsverengung sind Koordination und Einatemvermögen oft erheblich reduziert. Hier ist Verabreichung von Medikamenten mit Hilfe eines Verneblers zu erwägen.
Schulung und Adhärenz
Neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Inhalationstherapie erleichtern die Anwendung der Inhalationssysteme und vermindern die Häufigkeit täglicher Inhalationen. Die Vielzahl der Systeme und Medikamente (einschließlich fester Kombinationen) erschweren den Überblick. Die richtige Schulung bei Erstverordnung und regelmäßige Überprüfung der Inhalationstechnik sind extrem wichtig. Der alleinige Verweis auf den Beipackzettel ist nicht ausreichend.
Eine große Hilfe stellen die Videofilme der Deutschen Atemwegsliga zur korrekten Inhalationstechnik für alle verfügbaren Systeme dar (www.atemwegsliga.de/richtig inhalieren).
Für die Dauertherapie sollten die ggfs. unterschiedlichen Medikamente im gleichen Inhalationssystem verabreicht werden, da sich DA und Pulverinhalatoren im Inhalationsmanöver grundlegend unterscheiden.
In der Betreuung von Patienten mit einer Inhalationstherapie sollte neben der korrekten Inhalationstechnik ebenso die Adhärenz überprüft werden. Adhärenz bedeutet, in welchem Maß der Patient die vereinbarte Therapieempfehlung im Alltag umsetzt. Die Adhärenz wird u.a. erhöht, wenn ein einfaches, schriftlich niedergelegtes Therapieregime vorliegt. Dies bedeutet, dass die Zahl der täglichen Inhalationen so gering wie möglich sein sollte. Fixe Medikamenten-Kombinationen gewährleisten dies. Ein unbegründeter Wechsel des Inhalationssystems sollte unterbleiben. Gerade die Zufriedenheit eines Patienten mit seinem Inhalationsgerät geht mit einer höheren Adhärenz einher. Internetbasierte Selbstmanagementprogramme werden an Bedeutung gewinnen.
Die fehlerfreie Inhalationstechnik ist aber nur ein, wenn auch wesentlicher Aspekt. Entscheidend bleibt, ob der Patient die Therapie auch im Verlauf regelmäßig anwenden kann und will.
Im Alltag verlassen Ärzte sich häufig auf das Bauchgefühl, um die Adhärenz des Patienten abzuschätzen. Es gibt Fragebögen mit z.B. 10 Fragen, deren Antworten ein Muster der Faktoren erkennen lässt, die zu einer fehlenden Adhärenz führen. In einer Umfrage haben sich 42% der Teilnehmer bewusst und 26 % unbewusst nicht an die Therapievereinbarung gehalten.
U.a. wird gefragt, ob der Rückgang der Erkrankungssymptome zu einer Verminderung der Medikamenteneinnahme bzw. der Inhalationen führt oder ob die Sorge bezüglich Nebenwirkungen überwiegt. Im Einzelnen mögen die Fragen trivial sein, dennoch kann der Fragebogen sehr hilfreich sein, ein strukturiertes Gespräch mit dem Patienten zu führen. Dies gilt insbesondere bei unkontrollierter Erkrankung.
Dies leitet auf eine weitere interessante Thematik über. Es besteht ein Zusammenhang zwischen „health literacy“ (übersetzt „Gesundheitskompetenz“), der Auffassungsgabe und der Adhärenz bei älteren Patienten. Die Gesundheitskompetenz beschreibt die Fähigkeit des Einzelnen, im täglichen Leben gesundheitsrelevante Entscheidungen zu treffen. Dazu müssen Informationen abgerufen, verarbeitet und verstanden werden. Gerade ältere Patienten dürfen bei der Schulung und der Informationsvermittlung nicht überfordert werden. Klare und begrenzte Anweisungen sind von Bedeutung.
Quelle:
Kongresszeitung - Symposium-Lunge 2018, Dr. med. Peter Haidl
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