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Zuletzt angepasst am 26.03.2024

Atemtherapie mit praktischen Übungen

Ab und zu mal Spazieren gehen und sich an der „frischen Luft“ bewegen – das ist zwar ein löblicher Ansatz, aber zur Behandlung einer COPD reicht es nicht aus. Patienten mit COPD brauchen über Medikamente hinaus gezielte aktive  Therapie, die aus Lungensport, Muskelaufbautraining, Funktionsgymnastik und der Vermittlung verschiedener Atemtechniken bestehen kann. Dadurch lassen sich nachweislich ihre Leistungsfähigkeit und Lebensqualität verbessern.

Patienten mit chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) entwickeln mit fortschreitendem Krankheitsstadium zunehmend Atemnot. Bei den meisten beginnt der Leidensdruck erst spät. Der morgendliche Husten und die häufigen  Atemwegsinfekte wurden lange als lästig und weniger als gravierende Beeinträchtigung empfunden. Doch die körperliche Anstrengung und bereits kleine Alltagsbelastungen entwickeln sich zunehmend zum Problem – Treppen stellen gar ein unwegsames Hindernis dar.

Ihre Kurzatmigkeit führen Patienten oft auf „das Alter“, schlechte Kondition, vielleicht auch auf eine beginnende Herzerkrankung zurück. Wenn ihnen aber schon beim Schuhebinden oder einfachen Haushaltstätigkeiten die Luft wegbleibt  und das Tragen der Einkaufstasche zur Qual wird, ist das Problem nicht mehr wegzureden.

Da diese Atemnot große Ängste auslöst, nehmen viele Patienten eine Schonhaltung ein. Sie versuchen alle Aktivitäten zu vermeiden, bei denen sie außer Atem kommen. An sportliche Wanderungen mit Freunden durch unwegsames  Gelände, die einst viel Freude bereitet haben, ist heute nicht mehr zu denken. Freunde werden mit Ausreden vertröstet, weil man sich und seiner Lunge nichts mehr zutraut. Radtouren sind nur noch im Flachland möglich, dass eigene  Fahrrad wird gegen ein E-Bike getauscht und geplante Touren zur Seltenheit. Die Atemnot beeinflusst zunehmend mehr die Lebensgewohnheiten. Und da Atemnot oftmals als bedrohlich empfunden wird, liegt es nahe, dass man jeder  Form der Belastung möglichst aus dem Weg geht.

Die Patienten geraten in einen sich immer schneller drehenden Teufelskreis, der alles nur noch schlimmer macht. Die permanente Schonung führt zum Abbau der Muskulatur und damit zu einer weiteren Schwächung – die Atemnot  nimmt zu. Nicht zuletzt steigt durch die fehlende körperliche Aktivität das Risiko des Aufkommens von Begleiterkrankungen, wie einem Verlust an Knochendichte (Osteoporose) oder Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems.

Und die Seele leidet mit: Das Gefühl immer weniger am sozialen Leben teilhaben zu können und von sämtlichen Aktivitäten, die bisher große Freude bereitet haben abzusehen, führt bei einer Großzahl von COPD-Patienten zu  bedrückenden Ängsten und nicht selten zu Depressionen.

Fakt ist: Wer unter COPD leidet, kann und muss sich regelmäßig körperlich betätigen, um diesen gefährlichen Teufelskreis der Schonung zu durchbrechen. Allerdings muss das ein sehr gezieltes und individuelles Training sein, das  der individuellen körperlichen Belastbarkeit und dem Schweregrad der Erkrankung entspricht.

In Rehabilitationsmaßnahmen lernen die Patienten besser mit ihrer Erkrankung umzugehen. Dazu wird Wissen vermittelt und praktische Abläufe eingeübt, wie zum Beispiel die richtige Inhalationstechnik, verschiedene Atemtechniken  zur Vermeidung von Atemnot und das Erlernen atemerleichternder Körperstellungen als pragmatische Hilfe in Atemnotsituationen.

Wesentlicher Bestandteil eines solchen Reha-Programms ist gezieltes körperliches Training, um die an der Atmung beteiligte Muskulatur zu kräftigen und dadurch eine Verringerung der Atemnot zu erreichen.

Im Volksmund werden die speziell dafür ausgestatteten Konditionsräume meist ganz salopp als „Mucki-Bude“ bezeichnet, da sie einem Fitnessstudio ähneln. In der Regel verordnet der behandelnde Arzt zu Ende des  Rehabilitationsaufenthaltes die Teilnahme an einer Lungensportgruppe.

Zu Hause angekommen wird nicht selten festgestellt, dass es kaum Anbieter gibt oder bestehende Gruppen bereits „ausgebucht“ sind. Ein flächendeckend nicht vorhandenes Angebot oder lange Wartezeiten erschweren es, die in der  Reha erworbenen Effekte aufrechtzuerhalten oder sogar ausbauen zu können.

Eine Lungensportgruppe kann aus bis zu 15 Teilnehmern bestehen, die sich in regelmäßigen Abständen – meist ein bis zweimal pro Woche – für etwa eine Stunde zur gemeinsamen Gymnastik treffen.

Die regelmäßige Teilnahme an einer Lungensportgruppe bietet hervorragende Möglichkeit, Betroffene mit gleicher Erkrankung kennen zu lernen und Erfahrungen auszutauschen. Auch informieren die Trainer regelmäßig über weitere  Angebote und Veranstaltungen zur Erkrankung, so dass die Patienten rundum informiert sind.

Man kann schon fast sagen, eine Lungensportgruppe ist eine durch einen speziell ausgebildeten Fachübungseiter geführte „Selbsthilfegruppe“, die durch gemeinsame Bewegung und Aufklärung der Atemnot entgegenwirkt. Das  Bewegungsangebot in der Lungensportgruppe ist durchaus vielseitig und abwechslungsreich gestaltet, wobei der Spaß nicht zu kurz kommt.

Patienten mit COPD benötigen eine sehr individuelle Betreuung, die auf ihren aktuellen Gesundheitszustand abgestimmt ist. Gymnastik, gerätegestütztes Aufbautraining und physiotherapeutische Atemtherapie sind nicht nur während  eines Rehabilitationsaufenthaltes möglich.

Diese Versorgungslücke schließt das Team der „Physiotherapie am Lungenzentrum“ in Essen. Am Anfang stehen Atemtechniken und die Motivation zum Sport. Bevor aber mit einem Training begonnen wird, ist es wichtig die Angst  vor der belastungsabhängigen Atemnot zu nehmen. Hierfür gibt es spezielle Atemtechniken, wie die „dosierte Lippenbremse“. Wie der Begriff „Lippenbremse“ schon ahnen lässt, wird der Atem durch die locker aufeinanderliegende Lippen gebremst – und zwar bei der Ausatmung. Dadurch entsteht ein leichter Gegendruck, der die Atemwege offenhält und ermöglicht besser Luft zu bekommen.

Die moderne Physiotherapie basiert auf einem individuellen Behandlungsansatz. Gemeinsam mit seinem Patienten nimmt sich der Physiotherapeut ausführlich Zeit die Probleme seines Patienten zu erfassen, Behandlungsziele zu  vereinbaren und einen geeigneten Behandlungsplan auszuarbeiten.

In Einzelbehandlung vermittelt der Physiotherapeut seinen Patienten Atemtechniken, die ihnen bei Atemnot wieder zu leichterem Atmen verhelfen, Techniken zur eigenen Reinigung der Atemwege von Sekret (Sekretdrainage) und Hustentechniken.

Auch werden im Rahmen der Physiotherapie atemerleichternde Körperstellungen und der Einsatz von Atemtechnik und Bewegung bei der Verrichtung von Alltagsaktivitäten, wie Haushaltsarbeiten geübt, um eine Atemnot dabei  weitgehend zu reduzieren oder auch ganz zu vermeiden.

Steht eine muskuläre Schwäche im Vordergrund, kann ein gerätegestütztes Muskelaufbau-Training sinnvoll sein. Wieder andere Patienten bevorzugen das Training in der Gruppe: Für sie ist der Lungensport meist das Richtige, denn  dadurch bekommen sie Kontakt zu anderen Menschen, die die gleichen Gesundheitsprobleme haben wie sie.

Eine zielgerichtete aktive Behandlung setzt sich häufig aus verschiedenen Leistungen zusammen. Man kann sagen: die richtige „Mischung“ macht´s. Damit der Patient auch die entsprechende Leistung zum richtigen Zeitpunkt erhält,  bedarf es einer guten Zusammenarbeit zwischen Arzt und Physiotherapeut – vor Allem aber dem Willen und der Mitarbeit des Patienten.

Warten Sie nicht bis Andere Ihnen helfen. Werden Sie noch heute aktiv!

Quelle: Vortrag von Dr. rer. medic. Sebastian Teschler Physio- und Atmungstherapeut Physiotherapie am Lungenzentrum (Reha Vital GmbH), Essen, auf dem 9. Symposium Lunge am Samstag, den 10. September 2016 von 9:00-17:00 Uhr in Hattingen (NRW)

© Patientenorganisation Lungenemphysem-COPD Deutschland
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