Diese nicht-medikamentösen Therapiebausteine sind aufgrund der wissenschaftlichen Datenlage unverzichtbare Inhalte bei der Behandlung von Patienten mit einer Lungenerkrankung. Sie sollen - anfangs angeleitet von Therapeuten - mit der Zeit therapeutenunabhängig dem Betroffenen helfen, den Alltag bzw. die Belastungen des Alltags besser zu bewältigen und damit seine Lebensqualität erhalten oder sogar im Idealfall wieder steigern.
Was beinhaltet Atemtherapie?
Grundlagen
Atemtherapie setzt erst einmal die Bewusstmachung der Atmung (Atemwege, Atemformen, fehlerhafte Gewohnheiten im Alltag, Einfluss der Körperhaltung auf die Atmung) voraus. Nur bewusste Gewohnheiten können geändert werden. Einer der ersten Schritte dabei ist das Erlernen der wichtigsten Selbsthilfetechniken für einen Atemwegs-patienten: Lippenbremse und Bauchatmung. Daran anschließend werden die atemerleichternden Positionen (Kutschersitz, Torwartstellung, Schülersitz, …) und die verschiedenen weiteren Atemformen neben der Bauchatmung (Flankenatmung, Nierenatmung) geschult.
Vermeidung schädigender Atemformen bei ADL
Hierbei werden ganz gezielt die Aktivitäten des täglichen Lebens in (ADL) den Vordergrund gerückt, bei denen die Atmung aus Gewohnheit oft in den Hintergrund verdrängt wird. Beispiel hierfür ist einmal das Gehen in der Ebene oder der Übergang zu einer Steigung oder auch der Einsatz des Rollators im alltäglichen Leben. Aber auch Sprechen - nicht erst beim Streiten-, Bücken, Schuhe binden, usw. beeinflussen bzw. teilweise behindern sie sogar die Atmung. Diese alltäglichen Gewohnheiten müssen erst einmal bewusst in Zusammenhang mit der Atmung gebracht werden und dann als Kombination geübt werden.
Atmung und Belastung
Wichtigste und damit für den Therapeuten auf jeden Fall zu berücksichtigende Komponente ist hierbei vor allem, die Übungseinheiten alltagsorientiert (Gegenstände anheben/tragen, Aufstehen, Körperhygiene, Treppensteigen,…) und für jeden auch im Alltag umsetzbar - auch was den Einsatz der Geräte angeht- zu gestalten. Neben dem bewussten generellen Einsatz der Lippenbremse und der Bauchatmung bei längerer Belastung wird zusätzlich auf die Kombination Atmung und kurze, steuerbare Belastungen eingegangen (Ausatmung – Anspannung/Anstrengung + Einatmung - Entspannung). Auf der anderen Seite gilt es aber auch, die Angst vor Belastungen erst einmal zu nehmen und durch dieses Vertrauensverhältnis Patient – Therapeut auch wieder die Freude an der Bewegung und das Selbstvertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit zu fördern.
Sekretmobilisation und Hustentechniken (Lungenhygiene)
Auch wenn es inzwischen viele unterschiedliche „Hustenarten“ in der Literatur gibt: Aufmerksamkeitsdefizithusten – Verlegenheitshusten – Wartezimmerhusten – Konzerthusten – nervöser Husten – Abwehrhusten – Refluxhusten, so stellt Husten für einen Atemwegspatienten ein großes Problem dar, schränkt ihn in seiner Belastbarkeit ein, kann immer wieder zu Atemnot oder auch Panikattacken führen und sollte eine wesentliche Rolle im selbstständigen- nach der entsprechenden Schulung durch einen Therapeuten- Krankheitsmanagement spielen. Deshalb gehören das Wissen über Husten, evtl. Auslöser und die belastenden Auswirkungen für die Lunge ebenso dazu als auch die Informationen über und die Möglichkeiten, Sekret zu verflüssigen und zu lösen. Aber auch das „richtige effektive“ Husten und die unterschiedlichen Hustenvermeidungstechniken müssen erst einmal geschult und verinnerlicht werden. Ergänzend hierzu kann - in Absprache mit dem behandelnden Arzt - eine Einführung bzw. Schulung der entsprechenden Hilfsmittel (PEP-Maske, Flutter, Cornet, Acapella, Quake,…) erfolgen.
Nasenhygiene
Krustenbildung in der Nase, das Gefühl einer „vertrockneten“ Nase bzw. Nasenschleimhaut oder eine verschleimte Nase behindern nicht nur Sauerstoffpatienten sondern jeden Menschen bei der Einatmung durch die Nase. Mit der Hilfe von verschiedenen Atemtechniken (Kreuzatmung, Stenosenatmung, schnüffelndem Einatmen) und Gesichts-Massage-Griffen kann gelernt werden das Sekret zu lösen, um wieder befreiter und damit effektiver durchzuatmen.
Atmung und Entspannung
Stress - übersetzt aus dem Englischen - bedeutet Anspannung bzw. Druck. Stress ist unser ständiger Begleiter durch das ganze Leben und wir machen ihn uns in den meisten Fällen selbst. Genauso geht aber auch jeder anders mit Stress um bzw. reagiert unterschiedlich auf Stress - z.B. mit Angst vor Kontrollverlust (Husten und Kontrolle über die Blase), Übelkeit, Schwitzen, Zittern, Mundtrockenheit oder vermehrtem Speichelfluss, usw. Subjektiv wird Stress oft auch als stockender Atem/Kloß im Hals/die Luft bleibt weg/man hat sein Päckchen zu tragen oder das verschlägt einem die Sprache empfunden. Gerade Atemwegspatienten bemerken aber auch, wie Anspannung, Druck und innere oder äußere Unruhe sich auf ihre Atmung auswirken. Dabei spielt auch der aktuelle Gesundheitszustand, das subjektive Befinden und die Personen im Umfeld genauso wie bereits gemachte Erfahrungen oder ungewohnte Situationen eine Rolle. Die enge Verbindung zwischen Stress und der Atmung spiegelt sich auch in der Tatsache wider, dass in allen Entspannungsverfahren der Atmung eine zentrale Rolle zugeordnet wird. Entspannung kann dabei über den Körper (also die Muskulatur und/oder die Atmung) oder die Gedanken (Konzentration) erfolgen bzw. erzielt werden.
Steigerung der Thoraxbeweglichkeit
Neben den Übungen zur Reduzierung der Überblähung der Lunge und der Steigerung der Belüftung der Lunge werden im Rahmen der Atemtherapie Übungen zur Steigerung der Beweglichkeit des Brustkorbs, der Wirbelsäule und der Schultergelenke in unterschiedlichen Ausgangspositionen und mit unterschiedlichen Utensilien eingesetzt. Zusätzlich sollen diese Übungen auch der Vertiefung und Ökonomisierung der Atmung dienen. Durch gezieltes Kontrollieren und Korrigieren wird der uneffektive (und nur belastende) Atemhilfsmuskeleinsatz (z.B. (Hochziehen der Schultern) bewusst gemacht und kann somit vermieden werden.
Aufbauend auf die Atemtherapie sollte ein körperliches Training in Kombination erfolgen - natürlich auch unter Berücksichtigung der Vorlieben und Interessen des Patienten - um die Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Als positive Effekte sind hierbei vor allem die Erhöhung des Lungenvolumens und eine verbesserte Sauerstoffaufnahme genauso zu nennen wie auch eine Stärkung des Immunsystems, Demenz-Schutz und eine Reduzierung der Altersdiabetes. Ebenso sollten die Sturzprävention und die Osteoporoseprophylaxe beim körperlichen Training berücksichtigt werden. Für den Patienten spielen die Förderung des Wohlbefindens, eine Verbesserung der psychischen Ausgeglichenheit und die z.B. mit dem Lungensport verbundenen bzw. gebotenen sozialen Kontakte und Möglichkeiten zum Austausch mit Betroffenen eine große Rolle. Denn all diese Faktoren steigern die Lebensqualität.
Wie immer und bei allem gibt es aber auch beim körperlichen Training Regeln, die es zu beachten gilt:
- Beginnen Sie erst nach Absprache mit Ihrem Arzt und dann langsam und dosiert unter therapeutischer Anleitung.
- Nutzen Sie Ihren Alltag und die Gerätschaften Ihres Alltags.
- Je größer die (unrealistischen) Ziele sind desto größer ist der innere Schweinehund.
- Achten Sie auf sich, Ihren Körper und evtl. Warnsignale während und nach dem Training.
- Entsprechend dosierte Pausen sind genauso wichtig wie auch das Training.
- Abwechslungsreiches Training (auch in Bezug auf das Bewegungsausmaß und Bewegungstempo) erhöht den Trainings-effekt und den Spaßfaktor.
- Führen Sie ein Trainingstagebuch - das erhöht die Leistungskontrolle aber auch die Motivation.
Wichtig ist beim körperlichen Training immer, den Bezug zum Alltag und den Alltagsbelastungen herzustellen, das erhöht die Bereitschaft sich zu „quälen“ und die Motivation etwas für sich, die eigene Gesundheit und damit auch für die eigene Lebensqualität zu tun und damit Verantwortung für sich und seine Krankheit zu übernehmen.
Am Beispiel der medizinischen Trainingstherapie:
Natürlich ist bei den Krafttrainingsgeräten der Effekt der Brustkorbmobilisation und -dehnung und die Kräftigung der Muskulatur gegeben, was aber aus meiner Sicht - vor allem beim Heranführen an die Geräte und beim Überzeugen der Sinnhaftigkeit des Gerätetrainings für Atemwegspatienten - eine große Rolle spielt. Dies sei an 3 Gerätebeispielen und den damit trainierten Alltagsbewegungen einmal dargestellt:
Butterfly (incl. Reverse)
- Autogurt anlegen
- (schwere) Türen öffnen
- Schiebetüren öffnen/schließen
- Vorhänge öffnen/zuziehen
- An-/Ausziehen (Jacke, Mantel)
Schulterpresse
Körperhygiene
- Abstützen z.B. beim Aufstehen
- Rolladen hochziehen
- Nasenbrille anlegen
- Körperhygiene
- An-/Ausziehen (Pullover / Hose)
Beinpresse
- Gehen
- Bücken
- Heben
- Aufstehen
- Steigen (Treppe/Berg)
- Hose an/ausziehen
- Schuhe anziehen/binden
Dies dürften genug Gründe für ein dosiertes gezieltes Muskelaufbau-training - mal etwas anders als immer unter wissenschaftlichen Erkenntnissen betrachtet - sein.
Generell gilt für das Training zu Hause, dass alle Krafttrainingsgeräte mit einem Theraband ersetzt werden können. Ganz viele Haushaltsgegenstände lassen sich zum Training nutzen, z.B. ein Handtuch, eine Wasserflasche, eine Strumpfhose, ein Kochtopf und vieles mehr.
Einzig allein: es muss getan werden.
Quelle: Vortrag von Michaela Frisch, Bad Dürrheim, Cheftherapeutin der Espan Klinik, auf dem 5. Symposium Lunge am Samstag, den 09. Juni 2012 von 9:00-18:00 Uhr in Hattingen (NRW)
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